Georgie Grütter übt, studiert und unterrichtet seit 40 Jahren Iyengar-Yoga. Als studierte Ethnologin und Religionswissenschaftlerin ist sie als Iyengar-Yoga-Ausbildungslehrerin mit den Schwerpunkten Indische Philosophie, Geschichte und Philosophie des Yoga weltweit tätig. Seit 2007 unterrichtet sie in ihrer eigenen Yogaschule »Centro de Yoga IYENGAR Felanitx« im Osten Mallorcas, Spanien. Sie ist Autorin der Publikation »Yogaphilosophie«, ein Lehrbuch über indische Philosophie und Iyengar-Yoga, erschien in 2014. Jedes Jahr kommt sie einmal mit einem Philosophie-Thema nach Berlin, um dieses Anhand von Vorträgen sowie Asana- und Pranayama-Praxis zuvermitteln.
claudiyengar: Liebe Georgie, diesen Sommer wird es um die Theorie und Praxis des Hatha-Yoga in Deinem Workshop in Berlin gehen. Was macht den Hatha-Yoga für Dich persönlich interessant/ spannend/ studierenswert ?
Georgie Grütter: Ich arbeite seit einer kleinen Ewigkeit als Iyengar-Yogalehrerin auf zwei Schienen: einmal unterrichte ich regelmäßig hier in meiner Yogaschule auf Mallorca, dann bin ich international in der Ausbildung tätig. Dort ist mein Fachgebiet die Yogaphilosophie, die Yogageschichte. Mein Herz gehört dem Yoga und ich weiß, dass es vielen so geht wie mir: Einmal den Zauber, das Faszinosum des Yoga erlebt und man ist in seinem Leben für immer begeistert. Bei mir ist es speziell die Frage:
»Wer bin ich, wo fange ich an, worin gründe ich, was ist das Eigentliche, mit einem Wort: warum Yoga?«
Mich fasziniert beim Hatha-Yoga das Sich-Loslassen-Können, die von Iyengar beschriebene Meditation in Aktion zu üben, also die Polarität zwischen Abhyasa und Vairagya zu erfahren. Dies sind zwar begriffe aus dem Patañjali-Yoga, gelten aber auch für den Hatha-Yoga. Der konzentrierte Blick in das eigene Herz, das Hineinschauen in die feinsten Verästelungen des Körpers, der Versuch, jedes mal aufs Neue präzise und ausbalanciert zu sein, den eigenen Körper und Geist achtsam auszurichten und via Asanas in die Mitte zu kommen…Darum geht es bei der Schulung des Körpers, die auf den Geist einwirkt immer wieder – die Balance zwischen innerer und äußerer Haltung zu finden. In jedem Moment des Übens präsent zu sein, leicht, klar und ausgeglichen und jene Stille in der Bewegung zu üben, die für mich das Fundament jeder wahrhaftigen Yogapraxis darstellt.
Dazu aus der Mundaka-Upanisad: »Wie zwei goldene, in engster Freundschaft auf ein und demselben Baum thronende Vögel wohnen das Ego und das Selbst in demselben Körper. Das erstere isst die süßen und sauren Früchte vom Baum des Lebens, während das Letztere innerlich losgelöst zusieht.«
claudiyengar: Wo sieht Du die Verbindung zum Yoga von BKS. Iyengar?
Georgie Grütter: Im Iyengar-Yoga wird Wert gelegt auf eine präzise Ausrichtung des Körpers. Jedes einzelne Asana hat seine spezielle Choreographie und die Schüler lernen von Anfang an, sich korrekt und detailliert mit dem äußeren Körper auszurichten. Das verschafft Festigkeit, Ausdauer und Kraft, löst Verspannungen und ebnet den Weg, um langsam und konzentriert in tiefere Schichten vorzudringen. Das einzige was die Schüler mitbringen sollten, ist ein offenes Herz, Neugierde und ein Hauch von Demut. So ist es möglich, mit einer disziplinierten Übungspraxis sich selbst gelassen und heiter zu begegnen und zu erfahren, dass es möglich ist, sich mit etwas zu verbinden, dass größer ist als wir. Das ist das Schöne am Iyengar-Yoga, dass man sich frei und mutig auf diese individuelle Reise vom Groben zum Feinen nach innen, zu seinem eigenen Kern begeben kann. Hatha-Yoga ist Philosophie im Sinne von Selbsterkenntnis, Selbsterforschung. Der oder die Übende weitet sich in der Stille nach innen und beginnt, den Knoten im Herzen zu lösen. Man lernt zu begreifen, dass man nicht Herr, sondern Teil der Welt ist und dass es darauf ankommt, sich in einen größeren Zusammenhang zu stellen.
claudiyengar: Hat die Beschäftigung mit den Energie-Konzepten des Hatha-Yoga Deine eigene Übungspraxis beeinflusst? Wann bist Du eigentlich zum ersten Mal damit in Berührung gekommen?
Georgie Grütter: Von den Energie-Konzepten des Hatha-Yoga habe ich bei meiner ersten Indienreise, bzw., meinem ersten Aufenthalt am Ramamani Iyengar Memorial Yoga Institute (RIMYI) in Pune im Jahr 1984 gehört und in der Bibliothek des Instituts gelesen.
Prashant Iyengar sprach bei einem Vortrag zum Geburtstag seines Vaters über die »Prāna - Bewegungen« und die »feinstoffliche Physiologie« des Hatha-Yoga. Schon damals hatte mich dieses Konzept der Energiebahnen und die Verteilung der Lebensenergie durch Prānāyāma sehr interessiert. Seit jener Zeit ist für mich der Atem in der Ausführung von Asana von großer Bedeutung.
claudiyengar: An wen richtet sich Dein Workshop in Berlin?
Georgie Grütter: Jede und jeder kann teilnehmen, der oder die Ohren hat, um zu hören und Augen, um zu sehen. Wichtig ist vielleicht eine ausgeprägte Neugierde auf die historischen und philosophischen Grundlagen des Hatha-Yoga und wie diese unser Verständnis von konkreter Yogapraxis geprägt haben. Ich werde versuchen, anhand einer Reihe von Beispielen diesen Zusammenhang plastisch und für jeden verständlich zu präsentieren. Wichtig ist mir aber auch, dass wir allesamt uns als Suchende begegnen, dass wir miteinander offen und frei kommunizieren, um dem Thema des Workshops ein Maximum an Erkenntnisgewinn abringen zu können.
claudiyengar: Vielen Dank für das Gespräch!
Fotos: Georgie Grütter
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