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Die Yoga-Praktizierende als Steinhauerin




claudiyengar: Anna, wie bist Du zum Yoga und vor allem zum Iyengar Yoga gekommen?


Anna Dahinden: Wie ich mich erinnere, habe ich mich als Kind immer mit Freude bewegt – doch in komplexeren Bewegungen kein besonderes Vertrauen gefunden. Ich erlebte mich selbst dabei als eher etwas zurückhaltend. So stellte ich nicht ein fröhliches Räder schlagendes Kind dar. Denn bereits eine einfachen Rolle machte mir Schwierigkeiten – vielleicht bedingt durch meine Skoliose, welche ich dank dem Iyengar Yoga entdeckte und womit ich einen Umgang zu finden versuche. Meine Fähigkeiten der Kindheit waren vielmehr im Feinmotorischen situiert; so begann ich sehr früh mit dem Geigenspiel, zeichnete viel, interessierte mich von früh an für Architektur und spielte demnach auch lange Zeit mit Holzklötzchen.

Das von Zuhause Ausziehen viel mir als 20jährige nicht einfach. Wie ich dann in Basel studierte, in diesem Kontext mich auch immer wieder einsam fühlte, erzählte mir meine Mutter von einem Yoga namens Iyengar Yoga. Sie – selbst Musikerin – war, beziehungsweise ist noch heute, fasziniert von Yehudi Menuhins Beschreibungen seiner Iyengar Yoga-Erfahrungen in Licht fürs Leben von B.K.S. Iyengar. Sie inspirierte – ohne selbst wirklich Erfahrungen mit dem Iyengar Yoga gemacht zu haben – in Basel damit zu beginnen. Von der ersten Lektion an war ich fasziniert und spürte die Intensität dieser Yoga-Erfahrungen, die sich auf mein gänzliches Leben auswirkten. So fühlte ich mich von jenem Zeitpunkt an viel mehr zu Hause, auch in Basel – und schlussendlich spürte ich; dass die geografischen Koordinaten nicht mehr entscheidend sind: Durch diese Iyengar Yoga Erfahrungen baute ich in mir selbst ein Zuhause auf, das losgelöst vom Wohnort existieren kann. So in etwa mein Weg zum Yoga und folglich auch zum Iyengar Yoga.

Wie ich dann vor bald vier Jahren nach Berlin gezogen bin, intensivierte ich meine Iyengar Yoga Praxis: Ich fand darin zunächst etwas, wonach ich mich als Kind immer gesehnt hab: Die Auseinandersetzung mit meinem Körper. Zugleich fühlte ich aber auch, dass ich im Iyengar Yoga Aspekte meiner Kindheit wiederaufleben kann: So beispielsweise die Zeit vergessende, sich einer Sache hingebende Tätigkeit – wie damals die spielende kleine Anna mit den Holzklötzchen. Und auch mein architektonisches Interesse wurde wieder genährt: So erlebte und erlebe ich noch heute im Iyengar Yoga die Schönheit der Raum-Entfaltung. Und erfahre mich als Yoga Praktizierende immer wieder als Steinhauerin, eine die den eigenen äußeren Körper behandelt, um tiefer liegende Strukturen aufzufinden.





claudiyengar: ...und jetzt die Ausbildung zur Iyengar Yoga Lehrerin, warum?


Anna Dahinden: Die Möglichkeit, mich intensiv mit dem auseinanderzusetzen, was mich tief fasziniert, erkenne ich als ein großes Geschenk an, das ich annehmen möchte: Die Gelegenheit zu dieser Ausbildung konnte ich folglich nur bejahen. So schätze ich es sehr, Iyengar Yoga zu meinem Alltag machen zu können und diesem folglich viel Raum geben zu dürfen. Doch birgt es auch Herausforderungen mit sich; denn mein Leben besteht nicht allein aus Yoga.

Neben der körperlichen Praxis erlebe ich, wie sehr ich Faszination darin finde, meinen eigenen Erfahrungen einen sprachlichen Ausdruck zu geben – bin mir aber bewusst, dass dies niemals gänzlich möglich ist. Mittels Worten meine persönlichen Erfahrungen Weiteren zugänglich zu machen, ohne die Schüler_innen in ihrer eigenen Erfahrungswelten einzugrenzen, finde ich eine kreative, herausfordernde und inspirierende Aufgabe. Wie bereits zuvor beschrieben, erfahre ich insbesondere das Entfalten von Raum als eine besondere Schönheit und liebe es demnach, anderen Menschen dazu zu verhelfen, ohne diese passiv werden zu lassen, Räume zu entdecken – äußeren Raum durch das Durchbrechen tradierter Körpermuster und über diese äußeren Raumerweiterung Zugang zu tiefer liegenden Räumen zu finden. Dazu gehören neben der Sprache auch die physischen Korrekturen mit u. a. meinen eigenen Händen, Füssen, Kopf und den erweiterten Hilfsmitteln - all dies schätze ich sehr.



claudiyengar: Den großen körperlichen wie mentalen Einfluss der Ausbildung hast Du bereits kurz angesprochen, jetzt ist die Hälfte der 3-jährigen Ausbildung geschafft - wie hat sich Dein Zugang zum Yoga verändert? Welche Entwicklung nimmst Du an Dir wahr?


Anna Dahinden: Zu Beginn nahm ich intensiviert war, wie ich mich selbst verhärtete: Die Exaktheit des Iyengar Yogas löste bei mir in den ersten Monaten eine unter anderem anatomische Härte aus. Doch auch mental erspürte ich ein Verhärten: Der Wunsch, der Wille und die Kontinuität des täglichen Praktizierens, vielleicht mithin auch der Ergeiz, führten zu dieser Starrheit und mentaler Unflexibilität. Insbesondere der Kontakt mit meiner Lehrerin aus Basel durchbrach dies, doch zeigt mir auch das Leben selbst, dass es relativ und nicht absolut zu sehen ist. So erfahre ich Iyengar Yoga weiterhin als sehr besonders, doch interessiere ich mich auch für weitere Verbindungen zu anderen Ausdrucksweisen – und vielleicht ist dies bereits dem Iyengar Yoga inhärent; es scheint als seien Y. Menhuin und B.K.S. Iyengar sich auch gegenseitig inspirierende Menschen gewesen.



claudiyengar: Gibt es etwas, mit dem Du gar nicht gerechnet hättest - was Du nicht erwartet hättest in Bezug auf Dein Yoga?


Anna Dahinden: Ich habe mir nicht vorstellen können, dass die Angst, sich beziehungsweise mich zu verletzen so groß würde. Besonders da ich nun die Bedeutung dieser Arbeit auch für meine Zukunft fühle, spüre ich zugleich die Abhängigkeit meines Körperlichen. Eine yogische Haltung wäre diesbezüglich wohl: Loslassen. Und darin versuche ich mich zu üben. Dieser Respekt führt aber auch dazu, und da bin ich wohl wieder im Thema von zuvor, dass ich mit weniger Ehrgeiz der Thematik begegne und dadurch auch weicher zu mir selbst und meinem Umfeld werde.



claudiyengar: Iyengar Yoga ist sehr geprägt von den Bildern aus der Publikation "Licht auf Yoga" von B.K.S. Iyengar, sie gelten bis heute als Maßstab für die Ausrichtung in den Asanas oder als Referenz für die Weiterentwicklung von Asanas. Du erstellst seit geraumer Zeit Illustrationen von Sequenzen, die Du bei Deinen Lehrerinnen und Lehrern übst. Welche Bedeutung haben Bilder oder Zeichnungen von Asanas für Dich und Dein Lernen oder Üben?


Anna Dahinden: Dieses Illustrieren der Sequenzen und der einzelnen Asanas in ihren Bewegungsrichtungen ist daraus entstanden, dass ich mich zu Beginn in den Sanskrit-Bezeichnungen noch nicht zu recht fand. So suchte ich nach einer Sprache, mir mental zu merken, was ich erlebt habe während den Klassen. Mittlerweile fungieren meine Skizzen einerseits noch immer als ein zweidimensionales, externalisiertes Gedächtnis. Andererseits hat das Zeichnen und Illustrieren eine tiefere Bedeutung, über das Konservieren hinaus: Es ist ein Nachklingen und Wiederklingen lassen der Erfahrungen.





claudiyengar: Was ist Deine Intention oder Wunsch mit den Illustrationen, die Du auch einer großen Öffentlichkeit., u.a. auf Deinem Instagram-Kanal zur Verfügung stellst?


Anna Dahinden: Gestalterische, graphische, illustrierende Ausdrucksweisen haben mich immer begeistert. Und im Allgemeinen ist mein Interesse sehr breit gefächert: U. a. von Musik, über die bildende Kunst, zum Tanz, zur Bewegung in Achsen, zur Architektur und zu Räumen, zur Anatomie und zur Statik. Mein Instagram-Kanal dient mir dazu, diese vielfältigen Interessen in eine Relation zu setzen – der Name r a u m i m r a u m soll dies verbalisieren: Schlussendlich geht es mir bisher immer um das Erfahren, Erforschen, Entdecken und Entfalten von Räumen in ihrer Multidimensionalität. Bisher hat mir mein Instagram-Account dazu verholfen, meine zunächst pluralen und zusammenhangslos wirkenden Interessen in ein Verhältnis zu setzen. Aber ich kann auch nicht verheimlichen, dass ich es genieße, auf Resonanz zu stoßen und damit zu experimentieren, welche Wirkungen und Reaktionen ich bei Interessierten vielleicht dadurch auslösen kann.


claudiyengar: Liebe Anna, vielen lieben Dank für Deine Zeit und alles, was Du hier mit uns geteilt hast. Namaste!


Kontakt zur Anna Dahinden: anna.dahinden@kleeb.com

instagram: https://www.instagram.com/raumimraum/


Alle Foto Credits: Anna Dahinden 2019.

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